Das lüsterne Weibchen

Axel Kiltz aus Mainz

Objekt: Lüsterweibchen (Deckenlampe)

In meinem Wohnzimmer hängt an der Decke eine Lampe, die so manchen Besucher zum Schlucken bringt, denn sie trifft so gar nicht den modernen Geschmack. Es handelt sich um ein „Lüsterweibchen“, eine Frauenskulptur aus Gips, die in der linken Hand einen Weinkrug und in der Rechten einen Becher hält, den Sie dem Betrachter reicht. Was man auf dem Foto nicht sieht: Auf der abgewandten Seite hängt an der Hüfte eine große Geldbörse, denn das Mädchen stellt eine „Saaltochter“ oder „Schankmaid“ dar.

Und jetzt das Besondere. Aus dem Kleid schauen nach hinten die beiden Stangen eines Zehn-Ender Hirschgeweihs heraus. Auf den Geweihstangen sitzen 4 Sockel mit elektrische Kerzenlampen, die über einen Ziehschalter ein- und ausgeschaltet werden können.

Seit ca. 10 Jahre habe ich jetzt diese Kuriosität mit einer langen Geschichte in meinem Wohnzimmer. Vorher lag sie 30 Jahre lang bei meinem Bruder in Bochum. Davor hat der Leuchter sicher mehr als 30 Jahre im Wohnzimmer meiner Eltern in Waldböckelheim gehangen, im Erker über einer Sitzgruppe, an der häufig ein paar Leute saßen und mit meinem Vater zusammen seinen Wein tranken. Von meiner Mutter hat er damals seinen Spitznamen bekommen, „das lüsterne Weibchen“.

Wo das Lüsterweibchen vorher war, weiss ich nur aus Erzählungen, denn das war vor meiner Zeit. Ganz früher, so vor dem 1. Weltkrieg, vielleicht sogar schon 50 Jahre früher, war das die Beleuchtung des „Jagdzimmers“ oder „Herrenzimmers“ der Gastwirtschaft „Zum Adler“ in Waldböckelheim. Das war die damalige Gaststube des Weinguts Georg und später Albert Kiltz, meinem Urgroß- bzw. Großvater. Dort trafen sich die Herren, um z.B. einen 1897er „Schloßböckelheimer Felsenberg“ zu trinken, Zigarren zu rauchen, oder um über die Ergebnisse der letzten Jagd auf dem Heimberg zu sprechen. Elektrisches Licht gab es damals noch nicht. Statt der Sockel für die Glühbirnen befanden sich dort wohl Kerzen oder Öllampen. Wie alt dieses lüsterne Weibchen ist, ob es ein Original oder (eher wahrscheinlich) eine Nachbildung aus dem frühen 19. Jahrhundert ist, weiss ich nicht.